In der kritischen Glaubensphase begleiten. Pastoral unter den indonesischen Studenten in Deutschland

Mit Sonja Klinkenberg, die die Verbindung mit indonesischen Studierenden
in Münster in Westfälen für viele Jahre gepflegt hat.


Es gibt zur Zeit ungefähr 1.800 indonesischen Studenten in Deutschland. Unter ihnen sind auch die katholischen Studenten. Seit einigen Jahren habe ich sie, soweit die Zeit es erlaubt, pastoral begleitet. Eines habe ich gelernt: Die Studentenpastoral geht über den Beichtstuhl und den Gottesdienstraum hinaus.


Von der Intensität der pastoralen Betreuung her gesehen gehören die katholischen Studenten zu den vernachlässigten Gruppen. Denn da sind die anderen Gruppen besser organisiert und von Indonesien aus personell und finanziell unterstützt. Für die pastorale Betreuung der evangelischen Studenten z.B. wird in Zusammenarbeit zwischen der evangelischen Kirche Deutschlands und Indonesiens ein Seelsorger angestellt, der von  Indonesien aus gesandt wird.

Bei den katholischen sieht es ganz anders aus. Obwohl jeder weiß, dass die jetzigen Studierenden zu den zukünftigen Hoffnungsträgern der Kirche Indonesiens gehören, kümmert sich eben diese Kirche nicht, ihnen eine begleitende Pastoral bereit zu stellen. So müssen die Studenten selbst die Initiative ergreifen. Vor einigen Jahren gründeten sie eine Art der Studentenverbindung mit dem Namen: Die Familie der katholisch-indonesischen Studenten in Deutschland (KMKI: Keluarga Mahasiswa Katolik Indonesia). Der Name verrät, dass hier auf der ersten Linie eine familiäre Atmosphäre gesucht und angeboten wird. Die Studenten wollen versuchen, gegenseitig die im Ausland fehlende Familienbindung und -wärme herzustellen und einander Ansprechpartner in der Schwierigkeit im Studiumalltag zu sein.

Da unterscheidet sich die katholisch-indonesische Studentenvereinigung von den anderen. Denn hier fühlt man sich zunächst Indonesier und dann ein Katholik. Nicht selten tritt sogar das eigene religiöse Interesse zurück, um den anders glaubenden Studierenden den Platz zu ermöglichen. So ist sie die einzige offene Studentenvereinigung mit religiösen Motiv geworden, in der sich auch die Studenten aus der anderen Glaubenszugehörigkeit Zuhause fühlen können. An den Veranstaltungen der KMKI kann jeder teilnehmen, sofern er gewisse Fähigkeit und Offenheit zum Dialog vorweisen kann.

Auf dem Programm der KMKI stehen regelmäßige Gottesdienst und die einmal im Jahr stattfindenden zweitägigen Exerzitien. Oft sind diese in vielen Orten nicht möglich, denn es gibt in Deutschland nur ein Paar indonesische Priester, und sie arbeiten in der Regel an ihrer Promotion. So können nur diejenigen, die in Frankfurt, Münster, Aachen und Berlin wohnen, oft im Jahr Gottesdienst feiern. Typisch ist bei diesen Gottesdiensten mit den indonesischen Studenten, dass danach alle indonesisch essen. Das Geld, dass sie sammeln können, wird dazu verwandt, die Fahrkosten des Priesters (nur!) und das Essen zu bezahlen.

Doch gibt es etwas, was sich auf dem Programm nicht festhalten lässt: die Gelegenheit zu bieten, die Erfahrungen auszutauschen und sowohl die eigenen als auch die Probleme der anderen anzusprechen. Das geschieht normalerweise spontan bei den langen gemeinsamen Stunden nach dem Gottesdienst und Essen. Es kommt auch oft vor, dass es unter ihnen gibt, die die eigene Schwierigkeit lieber einem Priester anvertrauen wollen. Dazu stehen viele Kommunikationsmittel zur Verfügung. Wenn die Begegnung nicht möglich ist, weil z.B. die Fahrt zu teuer wird, greifen sie das Telefon, oder schreiben eine e-Mail.

Indonesische Studenten bei einem Treffen in Münster

Die typischen Probleme sind dabei die Glaubens- und Kirchenkrise. Am Anfang steht immer bei vielen das schmerzhafte Fehlen der religiösen Selbstverständlichkeit, mit der sie in der Heimat Indonesien großgezogen waren. Dies kann zum reiferen Glaubensleben führen, wenn es ihnen gelungen ist, die Krise zu meistern. Aber oft wird es wegen des Einflusses der Umwelt zu der anderen Richtung: mit der Zeit wächst die Distanz zur Kirche und langsam auch zu dem eigenen Glauben. Oft können sie sich mit den kirchlichen Themen, die z.B. hier im Lande gerade heiß diskutiert werden, nicht auseinander setzen. Die Aufgabe des Priesters ist dann, ihnen Hintergrundinformationen zu geben. Wichtig ist dabei, ihnen zu helfen, kritisch zu sein. Denn es ist nicht selten, dass die Themen, die hier in Deutschland zur heftigen Auseinandersetzung führen, von typischer Natur sind, die in Indonesien überflüssig wären.

Bisher gilt die Pastoral unter den indonesischen Studenten als Einzelinitiative. Diese Pastoral halte ich jedoch für wichtig. Deshalb hoffe ich, dass sich die Kirche Indonesiens Gedanken darüber machen will. Denn man kann von den jetzigen Studierenden nicht erwarten, dass sie, wenn sie später in die Heimat zurückkehren, das Gemeindeleben aktiv zu gestalten, wenn sie hier in der kritischen Phase ihres Glaubenslebens nicht begleitet werden. ***

Münster, Anfang Februar 2000

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