Kosmische Eschatologie nach J. Moltmann

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"Eschatologie ohne Kosmologie muß unausweichlich zum gnostischen Erlösermythos werden." Mit dieser Überzeugung, die er mit H. Jonas teilt, versucht J. Moltmann, die eschatologische Zukunft des Kosmos zu verstehen. Die Erlösung der Menschen schließt die Erlösung des Kosmos mit ein. Es gibt keine eschatologische Zukunft für die Menschen ohne eine eschatologische Zukunft für den Kosmos. Warum die eschatologische Zukunft der Menschen die des Kosmos einschließen soll, welche Zukunft er hat, und in welchen Qualitäten diese Zukunft des Kosmos gedacht werden muß, das versucht Moltmann in dem vierten Kapitel des Buches "Das Kommen Gottes" zu systematisieren. Ich werde im folgenden die kosmische Eschatologie Moltmanns darzustellen versuchen, indem ich mich darauf beschränke, die Antwort Moltmanns auf die eben gestellten Fragen zusammenzustellen, um seine Grundintention aufzuzeigen.

1. Die Erlösung der Menschheit schließt die Erlösung des Kosmos mit ein

Moltmann stellt fest, daß sowohl in der mittelalterlichen als auch in der neuzeitlichen Theologie das Thema "Universaleschatologie" oder "Eschatologie der Natur" wenig aufgegriffen ist. Man hat sich mehr auf die Individualeschatologie konzentriert und die kosmologischen Fragen den Naturwissenschaften überlassen. Der Grund mag das gewisse dualistische Denken über Leib und Seele, Menschheit und Natur sein. Moltmann versucht, diesen Dualismus zu überwinden, indem er die Einheit zwischen Leib und Seele und zwischen Menschheit und Natur aufzeigt. Menschliche Existenz, so schreibt er, ist körperliche Existenz und mit allen Sinnen der natürlichen Welt verbunden und auf sie angewiesen. Deshalb gibt es keine Erlösung für die Seele ohne Erlösung für den Leib und umgekehrt. Ohne leibliche Eschatologie würden dann auch die Auferstehung und die Menschwerdung sinnlos. Parallel dazu, es ist kein Heil für die Menschen ohne das Heil für die Natur. Die ganze Schöpfung —der Mensch einschließlich— ist auf die Erlösung, auf die eschatologische Vollendung hin ausgerichtet.

2. Die Zukunft der Schöpfung ist die Einwohnung Gottes im Raum seiner Geschöpfe

Der Kosmos hat also eine Zukunft? Aber was für eine Zukunft soll er haben? Um diese Frage zu beantworten, führt Moltmann zwei biblische Begriffe: den Sabbat und die Schechina. Der Sabbat ist nach dem Schöpfungserzählung der siebte Tag, der Höhepunkt des Schöpfungsakts Gottes. An ihm ruhte Gott. Das ist das Ziel der Schöpfung. Alle Geschöpfe sind erschaffen, um dieses Ziel zu erreichen. Der Sabbat ist also die Vollendung der Schöpfung in dem Sinne, daß in ihm die Gegenwart Gottes in seiner Schöpfung verwirklicht wird. Zugleich aber weist der Sabbat auf die zukünftige Vollendung hin. Denn er ist nur die zeitliche Gegenwart Gottes in seiner Schöpfung. Die Allgegenwart Gottes in der Schöpfung wird es nur möglich in der eschatologische Neuschöpfung, dem neuen Himmel und der neuen Erde, in dem neuen Jerusalem. Deshalb ist auch diese unvollkommene Einwohnung Gottes in der Schöpfung eine "eingebaute Zunkunftsverheißung". Er ist also, so schreibt Moltmann, "die dynamische Gegenwart der Ewigkeit in der Zeit, die Anfang und Ende verbindet, und damit Erinnerung und Hoffnung erweckt." Diese dynamische Erstreckung des Sabbats hat das Ziel, die eschatologische Einwohnung Gottes im Raum seiner Geschöpfe, das ist die Schechina Gottes, zu erreichen. Die Zukunft der Schöpfung ist also die Schechina Gottes. Moltmann führt noch den biblischen Begriff Menucha ein, um die innere Einheit von Sabbat und Schechina zu kennzeichnen. Die Menucha ist die Ruhe, die Gott sucht, wenn er im Raum seiner Geschöpfe wohnen will. In dieser geschichtlichen Schöpfung ist sie aber nur begrenzt möglich. Deshalb wird die Schöpfung am Ende der Zeit neu geschaffen werden, um die Allgegenwart Gottes fassen zu können. Diese Neuschöpfung nennt die Bibel mit der Bildern wie "der neue Himmel und die neue Erde" oder "das neue Jerusalem." In ihr kommt die Schechina Gottes endgültig zu Ruhe. Gott ist allgegenwärtig und alle Geschöpfe haben unmittelbaren Zugang zu Gott. Moltmann schöpft dabei alles, was von diesen biblischen Bildern beschrieben werden kann.

Um diese Zukunft der Schöpfung besser zu verstehen, muß man natürlich die Vorstellung Moltmanns über den Ursprung des Kosmos kennen. Sie ist eine Synthese von drei ähnlichen Vorstellungen: erstens, die Vorstellung von Schöpfungsratschluß Gottes, zweitens die von Selbstverschränkung Gottes, und drittens die kabbalistische Vorstellung. Ich möchte aber nicht auf die einzelnen eingehen. Wichtig für uns ist die Vorstellung Moltmanns selbst. Als es noch die Zeit und den Raum gab, "Gott schränkt seine Ewigkeit ein, um sich Zeit für seine Schöpfung zu nehmen und ihr Zeit zu lassen. Analog schränkt er seine Allgegenwart ein, um seiner Schöpfung Platz zu machen und Raum einzuräumen." So entstehen Zeit und Raum. Moltmann teilt dabei die Vorstellung Augustins, "Zweifellos ist die Welt nicht in der Zeit geschaffen, sondern mit der Zeit." Vor der Zeit und dem Raum der Schöpfung stehen die Ewigkeit und Allgegenwart Gottes und sie werden auch das Ende sein, wenn die Zeit in die Ewigkeit Gottes enden wird, und der Raum in der Gegenwart Gottes. Allerdings weicht Moltmanns Vorstellung hier ab. Am Ende wird der Raum nicht abgelöst werden, sondern nur verwandelt und vollendet. Die Zeit und der Raum entstanden aus Nichts (creatio et nihilo). Sie werden aber nicht ins Nichts enden. Die alte Schöpfung wird nur zur Vollendung aufgehoben (creatio ex vetere). Der Unterschied besteht also nur in der unterschiedlichen Präsenz Gottes im Raum seiner Geschöpfe.

3. Die Qualität der Zukunft der Schöpfung

Damit erreichen wir zwei Aspekte der Zukunft der Neuschöpfung, nämlich den Zeit- und Raum-Aspekt. Es wäre interessant, die Theologie der Zeit und des Raums, die Moltman aufgeführt hat, zu verfolgen. Ich werde aber nur die Grundintention Moltmanns der Qualität der Neuschöpfung betreffend erwähnen. Die Reflexion über die Zeit zeigt, daß die zeitliche Schöpfung auf die Abwesenheit Gottes verweist. Der Tod ist der Beweis der Vergänglichkeit der Schöpfung. Der Traum von einer absoluten Zeit, der reversiblen Zeit, entsspricht nicht der physikalischen Wahrnehmung der Unumkehrbarkeit der Zeit. Die Zeit fließt unumkehrbar aus der Zukunft durch Gegenwart in die Vergangenheit. Daher liegt die Quelle der Zeit in der Zukunft, die aber mit zukünftiger Zeit nicht identisch sein soll. Sie ist die Ewigkeit selbt, die in der Gegenwart als relative Ewigkeit erscheint. Die Zeit findet ihre Erfüllung erst in der Ewigkeit Gottes. Der zweite Aspekt der zukünftigen Schöpfung ist der Raum. Mit Sabbat schafft Gott eine relative Gegenwart in der Schöpfung, also ein Hauch von seiner Schechina. Moltmann entwickelt dazu eine Teologie des Raums und der Schechina. Gott wohnt in seiner Schöpfung. Die Heilsgeschichte ist geprägt von der Schechina Gottes unter seinem Volk. Sie taucht in der christlichen Lehre von der Inkarnation, und von der Tempel-Theologie. Gott erniedrigt sich, um unter seinen Geschöpfen zu wohnen. Doch wenn Gott kommt, und endgültig in seiner Schöpfung Wohnung einnimmt, dann muß der Kosmos neu geschaffen werden, um die Fülle der Gegenwart Gottes fassen zu können. Der Raum der Schöpfung wird in die Gegenwart Gottes zu Ende sein.

4. Merkmale der Eschatologie Moltmanns

Zum Schluß will ich noch die Merkmale der Eschatologie Moltmanns zusammenfassen:

  1. Identität zwischen der ersten und der eschatologischen Schöpfung. Aus der Wirklichkeit der Auferstehung und Menschwerdung asugehen, sieht Moltmann die zukünftige Schöpfung als Vollendung der anfänglichen, und nicht ihre Vernichtung. Identität zwischen der alten und der neuen muß beibehalten werden. Die Vernichtung der Schöpfung würde dem Glauben an die Auferstehung wiedersprechen. Das ist seine Kritik an die lutherische Lehre von Vernichtung der Welt.
  2. Ökologischer Aspekt der Neuschöpfung: die Einheit von Leib und Seele, Menschheit und Natur.
  3. Das Ziel der Schöpfung ist die Einwohnung Gottes in ihrem Raum (Schechina-Theologie). > Aufnahme der Herrlichkeit, Heiligkeit, Allgegenwart Gottes
  4. Biblische Begriffe: Sabbat, Schechina, die Einwohnung Gottes, Herrlichkeit, Heiligkeit, Allgegenwart Gottes, Neuer Himmel und neue Erde, das neue Jerusalem. Grundlage dabei sind die Auferstehung und Menschwerdung Christi
  5. Die lineare Vorstellung von Zeit der Schöpfung.

(Texte aus meiner Studienzeit in WWU, Münster, Deutschland: Script eines Kurzrefarats)

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